Es ist nichts Neues wenn ich erzähle, dass zu Beginn eines neuen Projekts mein Bastelkollege Robert mir Ratschläge gibt, in welche Richtung die Auswahl gehen soll.
Diesmal hat er es wieder versucht, mich aus dieser 50er Schiene zu bringen. Und was soll ich sagen – er hat es geschafft!
Wenn schon nicht die 50er, dann gleich in die 70er dachte ich mir.
(das war zwar nicht das was er sich vorstellte ... er meinte eigentlich die 60er, aber man muss ja nicht immer alles genauso tun, wie es von einem erwartet wird J )
Da mein Fundus im Bereich der 70er auch nicht gerade schmal ist, ging ich durch die Reihe meines Regals und blieb bei Chrysler stehen. Baujahr 1970 und Fullsize wie immer, das sollte es sein. Somit fiel die Wahl auf den Chrysler 300 von R&R.
R&R ????? War da nicht etwas vor langer Zeit mit einem Lincoln?
Ja genau, das Ultramegaprojekt, welches mich an die Grenzen meiner Modellbaufähigkeiten brachte. Ich wollte es jetzt genau wissen und einmal ist keinmal sagte ich mir.
Ausgepackt, kontrolliert und für gut befunden. Los gehts und zuerst mal eine Probepassung vorgenommen.
Da waren sie wieder meine 3 Probleme (frei nach Otto Waalkes). Es passt nix, die Oberflächen sind porig und alles ist verzogen. Das ist aber alles ganz normal bei Resinkits und deswegen lies ich mich nicht aufhalten.
Zuerst habe ich mir den Body vorgenommen. Im heißen Wasserbad biegen, schleifen, spachteln, dünner fräsen und Material ergänzen, an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Der übliche Wahnsinn halt, den der gewöhnliche Plastikmodellbauer nur aus den wüstesten Erzählungen von Resinmodellbauern kennt. Das bin ich ja gewohnt und wirft mich nicht mehr aus der Bahn.
Was ich bisher aber noch nicht hatte, waren Passungen jenseits von 5-6mm Toleranz. Das Interior war sage und Schreibe 5mm zu schmal für die Karosse.
Das Verbreitern an sich wäre nicht das Problem aber wo füge ich 5mm Material hinzu, ohne das es auffällt. Nach genauerem Recherchieren aufgrund von Bildmaterial aus dem www, fiel auf, dass das ganze Interior bis auf die Sitzstruktur ziemlich falsch war. Na Klasse! Das Armaturenbrett war zum Glück korrekt. Weiter fiel auch noch auf, dass der Centerlautsprecher der hinteren Sitzbank nicht vorhanden war.
Bingo!
Also konnte ich das Interieur mittig zerschneiden, mit 5mm Material auffüllen und dieses Detail gleich einfügen. Ganz so einfach wars dann doch nicht, weil die Mittelkonsole dazwischen kam. Diese hab ich dann ausgeschnitten und kpl. überarbeitet, weil ebenso nicht korrekt. Das Armaturenbrett bekam einfach rechts und links 2mm Material dazu. Die Seitenwände waren aus einem anderen Baujahr und mussten kpl. neu aufgebaut werden, mit Sheet, Evergreen, Griffen, Hebeln und selbergemachten Scripts. Die Kopfstützen fehlten gänzlich und mussten auch neu hergestellt werden.
Nebenher nahm auch der Body Gestalt an und nach dem 3. Grundier- und Schleifvorgang verschwanden die ganzen Giesslöcher und Unsauberkeiten. Eine Senke im Dach war nebenbei auch noch zu beheben. Lackiert habe ich das Modell nach dem Vorbildfarbton Aztec Gold Poly aus dem Jahre 1970 von Chrysler. Ein sehr ähnlicher Farbton ist im Duplicolor Programm mit dem Farcode 40-0120 zu finden. Sehr hilfreich beim Finden des Farbtons war mir dabei der Duplicolor Farbfächer mit über 700 Farbtönen aus dem Kfz Bereich. Als Klarlack kam wieder der bewährte Dupli Color 2K aus der Dose zum Einsatz.
Mit der Karosserie und dem Interior waren die gröbsten Baustellen schon einmal erledigt. Was sollte nun schon groß noch kommen?
Achja... die Scheiben brauchten auch wieder mal eine Sonderbehandlung beim Einkleben. Man sieht es auf dem Bild.
Das Chassis ist nur Routine dachte ich mir, aber wie so oft im Leben kommts erstens anders und zweitens als man denkt! Probehalber habe ich das Chassis einmal unter die Karosserie mit eingelegtem Interior gehalten.
Schreck lass nach!
Das Chassis schaute aus dem Body ca. 3 mm heraus und die vordere Achse und die Radhäuser waren um 5-6 mm versetzt zum Radausschnitt. Muss das denn sein?
An der Vorderachse wurde somit 5 mm Material hinzugefügt und kpl. um das Chassis herum ebenfalls 2 mm Evergreen Material ergänzt, weil viel zu schmal und zu kurz. Die Chassisinnenseite wurde bis auf ein Minimalmaß heruntergeschliffen. Wenn man es gegen das Licht hielt, konnte man nun durchschauen. Die Wanne vom Innenraum wurde unten auch abgeschliffen, sie fast durch war. Nun passte alles auf den letzten mm in den Body sauber rein.
Das Chassis wurde dann in mattschwarz lackiert und ein wenig detailliert mit Auspuffendrohren, die leicht nach unten gekrümmt endeten wie am Original.
Sehr wichtig für die Gesamtoptik eines Automodells sind die Räder und ihre Position im Radhaus. Zu tief oder zu hochbeinig, ein zu schmaler oder zu breiter Radstand ruinieren unauffällig das Gesamtbild ohne gleich zu verraten, was da nicht stimmt. Erst beim genaueren Anblick kommt man dahinter, was die Optik des Modells beeinträchtigt. Um auf den richtigen Weg zu kommen, helfen wieder www Originalbilder mit verschiedenen Perspektiven aus Prospekten. Beim Stockmodellbau ist dies die einzig wahre Lösung, da Bilder von anderen Fahrzeugen im www auch schon wieder technische Veränderungen wie Tieferlegung usw. beinhalten können.
Die Reifen waren bei diesem Modell auch ein ganz spezielles Kapitel. „Double Pinstripe Tires" nennt sich der Reifentyp, welcher bei der Erstausrüstung des Originals ausgeliefert wurde. Ziemlich "abgefahren“ für die heutige Betrachtung aber damals in den 70ern war das todschick. Wo bekomme ich das in 1/25 her?
AMT machts möglich, im Custom & Competion Pack als Zubehör aber sauteuer.
Nun stand er da, mein zweiter 70er Jahre Straßenkreuzer (neben dem 71er Riviera). Die Amis nennen die Dinger übrigens Big Boat oder Landyacht. Empfehlen kann ich den Resin Kit leider auch nicht, wegen der unschönen Geschichte mit dem Interior. Außerdem ist er so gut wie fast nicht mehr zu bekommen. Was soll dann eine Empfehlung?
Ich sollte mir lieber Gedanken machen was ich als nächstes angreife.
Wobei, dafür habe ich ja Robert, denn der sitzt schon wieder in den Startlöchern
mit neuen Ideen für mich J
Modell, Text und Bilder: Oliver Löbert, Ansbach
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Robert (Dienstag, 31 März 2020 17:21)
Hi Oli, der ist ja Hammer geworden! So ein richtiger "Ami-Schleifer", einfach nur groß und herrlich unvernünftig. Da hab´ ich also doch den richtigen Riecher gehabt, dass ich Dich von den "ewigen" 50s weggelockt habe.
Appropos: Den Tipp für Dein nächstes Modell habe ich Dir ja schon geschickt...
Michi (Dienstag, 31 März 2020 17:59)
Servus Oli,
Sau guad is der worn ���.
Auch wenn die Felgen teuer waren, aber schauen hammergeil aus�.
Auch Du der wahre Künstler für Resin.
Farben innen und außen sind absolut identisch.
Sehr saubere Arbeit, weiter so��
Oliver Löbert (Dienstag, 31 März 2020 19:24)
Das kommt auch nicht oft vor das der Seitenbetreiber selbst den ersten Kommentar abgibt. Dann muss er dich schon mächtig beeindruckt haben Robert gell :-)))
@ Michi: Du meinst sicher die Reifen? Ja die waren ziemlich teuer aber die geben dem Teil noch mehr 70s Charme und mussten einfach sein, vor allem weil sie im Moment so unmittelbar zu haben sind. By the way...meine ersten Versuche solche hauchdünnen Doppelringe selber auf den runden Gummi zu zaubern sind kläglich gescheitert. Irgendwo hörts dann doch auf...
Gerhard (Mittwoch, 01 April 2020 00:55)
Noch ein letztes Mal so richtig aus dem Vollen schöpfen, bevor uns die erste Ölkrise den Hahn zudreht - so oder ähnlich könnte der Gedankengang der Chrysler-Verantwortlichen ausgesehen haben, als sie den "Fuselage"-Jahrgang 1969/70 präsentierten. Eine schönere und größere Verschwendung von Platz, Blech und anderen knappen Ressourcen kann man sich gar nicht vorstellen...
So schwierig der R&R-Kit offensichtlich zu bauen ist, so authentisch bringt er das monumentale Erscheinungsbild dieses Endzeit-Dampfers rüber, nicht zuletzt, weil Oliver das richtige Feeling für die Farben, die feinen Kontraste und die wichtigen Details hat. Außerhalb der Resin-Szene gibt es ja leider überhaupt keine Bausätze, die diese Monster als Vorbild haben - für Otto Normal-Modellbauer wird ein Modell wie dieses also weiterhin ein unerfüllbarer Wunschtraum bleiben!
Reinhold (Mittwoch, 01 April 2020 07:57)
Olii, da hast mal wieder ein leckeres Sahneteil auf die (teuren) Vinylreifen gestellt! Und es ist mal wieder was aus den 70´igern - die Zeit, in der wir als Kinder schon über die riesigen Schlitten der damaligen "Besatzer" staunten (verglichen mit Papis Käfer - oder in meinem Fall war´s ein Opel Rekord von 1963, später dann ein winziger 1000´er Simca). Den 70´ger Chrysler 300 konnte ich erstmals auf einem Autotreffen am Münchner Flughafen Anfang der 90´iger bewundern und hab mich damals schon gefragt, ob es dieses unglaublich geile PS-Monster irgendwann auch mal als Bausatz für die Vitrine gibt? Nun musste ich fast 30 Jahre warten, um so ein Teil in klein sehen zu können. Aber das Warten hat sich gelohnt - wieder mal eine ganz tolle Arbeit von dir! Bin schon auf deine nächste Tat gespannt - wird´s wieder ein Chrysler aus den 50´igern? Oder bist Du auf den süßen Geschmack der 70ties gekommen?
Günther (Mittwoch, 01 April 2020 11:16)
Olli im Resin Olymp ! Ihr Zwei wechselt Euch ab in der Disziplin: Unbaubaren Kernseifenmüll
in Contestwinning First Place Models zu transferieren! Rundum schaut die ganze Klebe Gemeinde mit offenen Mündern fassungslos auf die Ergebnisse !Olli auf geht`s , top Dich
selbst , wir warten.
rainer (Mittwoch, 01 April 2020 14:50)
Nach einer gewissen Durststrecke kommt es jetzt 'knüppeldick' !
Wieder wunderschöne Objekte der Begierde. Eines besser als das Andere. Von den Resin-ern In gewohnter Art und Weise präsentiert. Einfach einwandfrei. Bitte w e i t e r m a c h e n.
Oliver Löbert (Mittwoch, 01 April 2020 19:19)
Danke, danke, danke.... ich bin überwältigt von den tollen Kommentaren. Ich hätte nie gedacht das ein 70er US Blechmonster in Schuhkartonoptik die Gemüter so bewegt und wirklich alle durchwegs positiv reagieren. Robert sei Dank, denn er hat mich soweit gebracht. Allein wäre ich nie auf die Idee gekommen den zu bauen. Ich muss dann scheinbar meine Einstellung ein bisschen ändern und nicht nur strikt in das 50er Regal schauen bei der nächsten Wahl.