1960 Plymouth Fury
Fury´s in the slaughterhouse
Kunststoffmodell-Umbau / Schlachtfest
Maßstab 1:25
Diesmal geht’s um ein besonderes Schlachtfest …
Object of Interest waren zwei 60er Plymouth Fury Coupes, die in äußerst beklagenswertem Zustand bei mir eintrafen. Dem einen, einem originalen Jo-han-Bausatz vom Anfang der 60er (Wiederauflagen gab es nie!) hatte jemand übel mitgespielt und rüde das Dach abgesäbelt. Es sollte wohl ein Cabrio werden, war aber nur mehr ein Wrack.
Das zweite – ebenfalls von Jo-han – war ein gnadenlos verzogenes Acetat-Promo mit eingefallener Motorhaube und einem hämisch grinsenden Kühlergrill, der sich an den Ecken meilenweit von seiner Stoßstange entfernt hatte.
Richten zwecklos lautete die vernichtende Bestandsaufnahme.
Acetat oder Polycarbonat wurde bei Promos - nie bei Bausätzen – bis ca. 1961 verwendet. Der Stoff ist leider nicht formhaltig und verändert sich im Laufe der Jahre indem er der Schwerkraft nachgibt, so dass die Autos zu Bananen mit eingefallenen Dächern, Motorhauben etc. werden. Bei uns kam man leider noch später auf den Trichter und kann bis zu Modellen aus den späten 60ern böse Überraschungen erleben, z. B. Mercedes 220 SE Heckflosse von Neuhierl / Carrera.
Was tun sprach Zeus?
In guten Zeiten, als die Zeiten noch gut waren, hatte ich bei X-EL mehrere 61er Dodge Dart Phönix Promos für die Community geordert, von denen zwei bei mir hängenblieben. Eines davon – ein rotes Coupe – musste schweren Herzens sein Dach spendieren. Die Dächer beider sind, bis auf zwei Zierleisten, die abgeschliffen werden mussten, baugleich. Vermutlich stammt der 61er Dodge aus der modifizierten Form der 60er Fury, womit sich erklärt, warum der Plymouth nie mehr aufgetaucht ist.
Der Rest war Bausatzalltag.
Das Dach samt Heckscheibe passte wie angegossen. Ich habe es stumpf an den oberen Windschutzscheibenrahmen geklebt. Die hintere Stoßstange und die Radkappen wurden bei Chrome-Tech USA neu verchromt. Die Motorhaube wurde aufgesägt. Damals waren noch keine Motoren dabei.
Die Chassis von Jo-han aus dieser Zeit waren von ergreifender Schlichtheit. Ich habe eines von einem 60er Fury Station auf die erforderliche Länge gekürzt und mit Motor, Kühlerblech und Motorhaube implantiert. Das ist auch kein Detaillierungswunder, aber besser als einfach eine Platte.
Die „Grinse“ Fury gehört mir leider nicht, ich wurde nur mit der ehrenvollen Aufgabe betraut, zu versuchen, daraus wieder was Brauchbares zu machen. Darum ist sie auch farblich fast gleich. Wenn’s meine gewesen wäre, wär‘ sie bestimmt nicht wieder grün geworden. Auch diese bekam
wieder ein gekürztes Station-Fahrgestell mit Motor und Kühler.
Der Plan war, Vorderteil an den Türkanten absägen und eine Station Wagon Front dranmachen. Ja, so naiv bin ich manchmal. Beide Coupes kommen ja aus derselben Form!
Ha – Ha! Denkste!
Die Bausatzfront war zu hoch, somit passte die Zierleiste unter der Türe nicht zusammen. Höhenunterschied: ein ganzer Millimeter. Das ist ganz schön viel. Das zeigt, dass beide aus separaten Formen sind. Also musste ich zwischen Türspalt und Radhauszierleisten-Scheitelpunkt einen Millimeter herausschneiden.
Eine Operation wenn eh schon alles egal ist.
Außerdem fehlt beim Kombi der „Fury“-Schriftzug vor dem Vorderrad. Also habe ich von der amputierten Acetat-Schnauze das ganze Feld unter der schrägen Zierleiste abgetrennt und an die neue Nase gezaubert.
Die Tür und Seitenteilwölbung nach unten innen war fast weg. Das korrigierte Bausatzvorderteil wurde an die Türen brutalisiert, die Seiten mit starken Gummis und Tesafilm zusammengebogen und mit Stabilit Express aufgefüllt.
Die Heckflossen sollten fast gerade, sogar ein bisschen nach außen stehen. In diesem speziellen Fall neigten sie sich jedoch nach innen, sie fühlten sich sehr zueinander hingezogen. Als der Stabilit ausgehärtet war, konnten sie jedoch nicht anders, als in der ehemaligen – wieder erzwungenen – Form zu bleiben.
Da das Dach dieser Patientin aus Acetat und für dieses Modell durch die Längszierleisten leider falsch ist, verzichtete ich trotzdem auf’s Abschleifen und so durfte sie halt „nachgerüstete“ Zierleisten tragen.
Die Rettung von beiden kostete leider das Leben von drei anderen, mittlerweile ziemlich seltenen Pretiosen. Mir blieb aber leider keine andere Wahl.
Vielleicht kann ich aus dem Dodge Dart ja noch ein Cabrio machen? Beim Zersägen hatte ich jedenfalls diesen Gedanken im Hinterkopf und bin entsprechend vorsichtig zu Werke gegangen. Wer weiß, was die Zukunft bringt?
Modelle, Text und Bilder: Günther Eberhardt, München
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Gerhard (Montag, 11 Dezember 2017 21:29)
Als stolzer Besitzer der "zweiten" Fury (die mit der elfenbeinfarbenen Front und der roten Innenausstattung) kann ich Dir, liebe Günther, nur nochmals meinen Dank für diese super aufwändige Aktion aussprechen. Wer die beiden Total-Ausfälle vor der "Kur" gesehen hätte, wäre niemals drauf gekommen, dass diese Leichen je wieder zu neuem Leben erwachen könnten. Zudem fällt die Entstehung der beiden Furys etwa in die Mitte der ´90er Jahre, einer Zeit also, in der die verfügbaren Mittel zur Rettung verloren geglaubter Modelle sehr viel begrenzter waren als heute. Wenn einer den Ehrentitel "Plastikchirurg" wirklich verdient hat, dann wohl Günther Eberhardt!!!
Oliver Löbert (Mittwoch, 13 Dezember 2017 19:12)
60er Fury zum Zweiten und zum Dritten auf Roberts Seite :-) Ein ziemlich beliebtes Auto das es aber auch verdient hat. Günther hat alles gegeben um so seltene Modelle zu retten und er hat seinen Job perfekt erledigt wie man sieht. An ein verzogenes Promo würde ich mich nicht wagen alleine schon wegen der Befürchtung das es sich wieder verziehen könnte nach Fertigstellung. Mein grösster Respekt vor so einer Arbeit Günther!
Günther (Sonntag, 17 Dezember 2017)
Bei der Fury war zum Glück das Dach nicht eingefallen, weil, dann wäre alles zu spät.
Nochmal verziehen kann sie sich fast nicht, da sie innen einen Panzer aus Stabilit Express trägt, das Zeug ist fast wie Beton und ich hoffe das zwingt sie, für die nächsten 100 Jahre "in Form zu bleiben". Sie ist ja jetzt schon wieder ein paar Jahre in diesem Zustand.
Der Guru hatte noch mehr Patienten, denen ich die Flausen austreiben durfte!