1962er Plymouth Fury 2-door Hardtop von Revell und Jo-Han, Maßstab 1:25
WENN ZWEI DAS GLEICHE TUN, ...
... ist es noch lange nicht dasselbe! Eine äußerst ungewöhnliche Konstellation sorgte 1962 dafür, dass die Modellbauer alle Autos der Chrysler Corporation – darunter auch den Plymouth Fury – gleich von zwei verschiedenen Herstellern als Kits im Maßstab 1:25 zur Verfügung hatten.
Für die Chrysler-Promotionals und die daraus abgeleiteten Annual-Bausätze im Maßstab 1:25 waren auch 1962 wieder die Firmen AMT und Jo-Han zuständig. Dabei bildete AMT den Imperial Crown als 2-door Hardtop und Convertible nach, während Jo-Han für die Modelle der Plymouth-, Dodge- und Chrysler-Divisionen, ebenfalls als Coupes und Cabriolets in 1:25, zuständig war.
Revell dagegen bot bereits 1961 alle Chrysler-Fahrzeuge in Modellform als Bausätze an, allerdings noch als Eisenbahnzubehör im Maßstab 1:87 (siehe auch „1961/62: Revell goes Chrysler“ in dieser Rubrik). 1962 war Revell wieder mit von der Partie, diesmal allerdings mit Bausätzen aller Chrysler-Marken, die parallel zu AMT und Jo-Han im Maßstab 1:25 gehalten waren. Der Focus in diesem Bericht richtet sich nun ganz speziell auf die beiden Modelle des ´62er Plymouth Fury von Revell und Jo-Han.
Plymouth 1962 – das Original
Der Modelljahrgang 1962 war für die Chrysler-Divisionen Plymouth und Dodge ein Riesen-Desaster, vergleichbar mit der Edsel-Tragödie bei Ford. Hier wie da waren eine falsche Einschätzung des Marktes und ein Styling, das meilenweit am Geschmack der Kunden vorbei ging, die Hauptursache des gigantischen Flops. Wie konnte es so weit kommen?
Bereits 1959, als noch die bis dahin größten und überladensten Straßenkreuzer das Maß aller Dinge waren, machte in der amerikanischen Automobilindustrie ein (absichtlich gestreutes?) Gerücht die Runde, dass General Motors plane, seine Autos für 1962 drastisch zu verkleinern. Solcherart verunsichert, warf man bei Chrysler die bisherigen Planungen über Bord und ging daran, für 1962 deutlich kleinere Fahrzeuge zu entwerfen.
Gleichzeitig stand Virgil Exner, Designchef bei Chrysler, massiv unter Druck: Seine Riesen-Heckflossen, erfolgreichstes Design-Merkmal seit 1957, hatten eine Höhe und Dominanz erreicht, die im wahrsten Sinne des Wortes kaum mehr „Luft nach oben“ ließ.
Also musste für die Zeit nach der Heckflosse eine genau so prägnante und erfolgreiche Styling-Idee gefunden werden, um den Erfolg von 1957 zu wiederholen.
Als Nachfolger für die Heckflossen kürte Virgil Exner schließlich die „Fender Blades“ („Kotflügel-Klingen“), jene extrem scharf ausgeprägten Kanten an den vorderen und hinteren Kotflügeln, die erstmals am Plymouth Valiant von 1960 zu sehen waren. Diese Fender Blades sollten als Erkennungsmerkmal alle Chrysler-Modellreihen vom Valiant bis zum Imperial zieren und dem Konzern erneut die Vormachtstellung im amerikanischen Automobil-Design sichern.
Schon bald entstanden zahlreiche „Mock-Ups“ (das schwarz/weiße Bild zeigt einen Entwurf vom Februar 1960 für einen ´62er DeSoto), die das neue Styling aufnahmen und variierten.
Aber Exner hatte die Rechnung ohne den Chrysler-Vorstand gemacht: Den Chefs in der obersten Etage gefiel die Idee, ein Styling-Element vom kleinen Valiant auch am großen Chrysler oder Imperial wiederzufinden, überhaupt nicht.
Der daraus entstandende Streit mit dem Vorstand gipfelte schließlich darin, dass Exners 1962er Design für die Marken Chrysler und Imperial verworfen wurde und hastigen Facelifts (vor allem dem Wegfall der Heckflossen) weichen musste. Für eine StylingÄnderung bei Plymouth und Dodge war es zu diesem Zeitpunkt allerdings schon zu spät – das Ergebnis ist bekannt: Zu klein und zu hässlich, befand das Publikum (GM hatte seine Autos mitnichten „drastisch“ verkleinert!) und bescherte den beiden einstigen Volumenmarken eines der schlechtesten Jahresergebnisse dieser Dekade.
Die „Zwillinge“ von Revell und Jo-Han
Aus welchem Grund auch immer Revell die ´62er Chrysler-Serie heraus brachte und auf diese Art und Weise bewusst direkt mit AMT und Jo-Han konkurrierte, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Tatsache bleibt, dass diese Modelle nach den bisherigen Multi- Piece-Kits die ersten Revell-Bausätze mit einteiliger Karosserie (Schachteltext: „Unibody Construction“) waren – zu diesem Zeitpunkt längst Standard bei allen anderen Herstellern.
Bemerkenswert ist auch, dass es bei Revell keine Promos, sondern nur die Bausätze gab, was den Schluss nahe legt, dass Chrysler zwar die Lizenzen (Schachteltext: „Designapproved by Chrysler Corporation“), aber keinen Industrie-Auftrag vergeben hatte.
Außerdem entwickelte Revell für diese Bausätze eine aufwändige Motorisierungs- Möglichkeit (Schachteltext: „You can motorize it!“), deren Preis seinerzeit -.98 Cent betrug und die es erlaubte, nach aufwändigen Umbauarbeiten die Hinterachse via Elekromotor anzutreiben.
Während die Revell-Bausätze der ´62er Chrysler-Serie in aufwändig gestalteten, flachen Schachteln erschienen, gab es bei den Jo-Han-Kits eine Einheits-Schachtel, auf deren Deckel und Seitenteilen das jeweilige Modell als Zeichnung in einem weißen Kreis erschien (die Abbildung zeigt die Original-Schachtel des 1962er Dodge). Für Jo-Han wiederum war es das erste Jahr, in dem die Bausätze eine Motornachbildung erhielten, ein Merkmal, dass es bei Revell schon seit den ersten 1:32er Kits aktueller US-Cars von 1956 gab. Im Jahr 1974 erschien schließlich eine unveränderte Wiederauflage des Jo- Han-Annuals in der „USA Oldies“-Serie, aus der auch das gezeigte, beige Modell stammt.
Dem Zeitgeist folgend, ergänzten beide Hersteller (wie auch alle anderen) ihre Bausätze mit zahlreichen Custom-Teilen. Während der Hinweis darauf bei Revell eher dezent auf einem Seitenteil der Schachtel („Loaded With Histyle Accessories“) zu finden ist, nennt sich das Ganze bei Jo-Han „Customizing Hardtop Car Kit“ und „Built 3 Ways“, womit Stock-, Custom- und Race- Versionen gemeint sind. Die oben erwähnte Jo-Han Wiederauflage des ´62er Plymouth Fury enthielt allerdings keinerlei Custom- oder Racing-Teile mehr.
Revell und Jo-Han – es lebe der kleine Unterschied!
Die beiden ´62er Plymouth-Modelle, die auf den ersten Blick genau gleich aussehen und sogar den Verdacht erwecken, dass die gleiche Formen dahinter stecken, erweisen sich bei näherer Betrachtung doch als erstaunlich unterschiedlich. So zeigen sich eindeutige Unterschiede schon bei den Rahmen der Front- und Heckscheiben, die bei Revell deutlich stärker gebogen sind als bei Jo-Han.
Außerdem weist die Revell- Karosserie auf den vorderen Kotflügeln unterhalb des „Fury“-Schriftzuges ein zusätzliches Emblem auf, das blau/weiß/rot bemalt werden muss und auf das Topmodell „Sport Fury“ hinweist.
Aus den unterschiedlichen Vorbildern (Jo-Han: „Fury“, Revell: „Sport Fury“) leiten sich denn auch die differierenden Innenausstattungen her, wobei sich Revell mit der Detaillierung des Innenraums deutlich mehr Mühe gegeben hat.
Gänzlich unterschiedliche Auffassungen beweisen beide Hersteller bei der Heckgestaltung ihrer
Modelle: Die Revell-Rücklichter sind deutlich größer und anders positioniert als die von Jo-Han.
Bei der Gestaltung des Unterbodens weist das Jo-Han-Modell die bessere Detaillierung auf, während die Motor-Nachbildungen und deren Umfeld kaum unterschiedlicher ausfallen könnten.
Immerhin sind sich die Hersteller bei der Vorderradfederung einig: Beide bilden die legendäre „Torsion Aire Suspension“ völlig identisch mit Drehstäben und Achsstummeln nach.
Das dunkelblaue Revell-Modell des 1962er Plymouth Sport Fury (interessanterweise taucht diese Bezeichnung auf der Schachtel nicht auf und auch das Deckelbild zeigt den „normalen“ Fury) entstand auf der Basis eines klassischen „Builders“. Allerdings stammt dieser nicht wie sonst aus den Weiten des Internets, sondern wurde auf einer ganz altmodischen Modellauto-Börse für sagenhafte 10.- Euro (danke, Stefan!!!) erstanden.
Das Modell, wie der Kit auf der Abbildung aus schwarzem Kunststoff, war nicht lackiert, der Chrom allerdings unbrauchbar und die Reifen gerissen. Der Versuch, die Chromteile des mehrfach vorhandenen Jo-Han-Plymouth zu implantieren, scheiterte allerdings – man mag es kaum glauben, aber die Teile passen nicht! Nach einer gelungenen Verchromungs-Aktion bei Chromtech USA wurde die Karosserie zeitgemäß (ja, ich weiß, ein alter Hut, aber das haben wir 1962 auch schon so gemacht) mit dem Pinsel lackiert, bedingt durch das schwarze Plastik in dunkelblau von Humbrol.
Weder hier noch beim weiteren Bau des Modells ergaben sich irgendwelche Probleme, so dass sich die Frage aufdrängte, wo denn wohl die letzten 54 Jahre Fortschritt im Plastikmodellbau geblieben sind?
Der beige Plymouth entstand in der Werkstatt eines befreundeten Modellbauers, der damit möglicherweise sein Jubiläum „1000stes Jo-Han- Modell“ feierte. Auch hier wurden außer den üblichen Konflikten zwischen dem Scheibeneinsatz und dem Armaturenbrett keine Probleme bekannt, was bei der enormen Anzahl von 25 Bauteilen allerdings auch nicht zu erwarten war.
Das Jo-Han Taxi-Promo
Zu den besonderen Promo-Raritäten zählt das 1962er Plymouth Fury Taxi von Jo-Han in leuchtendem und hoch glänzendem Gelb, mittlerweile locker ein 300.- Dollar Objekt.
Dabei handelt es sich um eine der letzten „Bananen“, also ein Promo, das noch aus dem äußerst verzugsfreudigen Acetat-Kunststoff hergestellt wurde.
Darüber hinaus scheint es völlig sinnfrei, ein zweitüriges Hardtop Coupe als Taxi zu deklarieren, zumal diese seinerzeit nie in der teuren Fury-, sondern meist in der preiswerteren und strapazierfähigeren Belvedere- oder Savoy-Ausstattung geordert wurden.
Bei diesem Modell handelt es sich um ein „Friction“-Promo, das mit einem Schwungradantrieb versehen war, um auch spielenden Kindern die Schönheiten des aktuellen US-Automobiljahrgangs nahe zu bringen.
Dass dies 1962 ausgerechnet bei Plymouth nicht so ganz geklappt hat, konnte zu der Zeit noch keiner wissen und wurde ja weiter oben bereits erwähnt. Trotzdem – oder gerade deshalb? – zählt dieser ungeliebte Jahrgang bei den harten Fans zu den interessantesten der ganzen Dekade - frei nach dem Motto, dass Sorgenkinder einfach mehr Liebe brauchen als die anderen!
Revell-Modell, blau: Gerhard Hoffmann, Bachmehring
Jo-Han-Modell, beige: Christian Pamp, Stockport, Großbritannien
Text und Bilder: Gerhard Hoffmann, Bachmehring
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Christian Pamp (Donnerstag, 22 September 2016 18:30)
Die Jo-Han Wiederauflage aus den Siebzigerjahren ist keineswegs wie im Text erwähnt unverändert, sondern sie weicht leider erheblich vom 1962er Original ab.
Armaturenbrett und Lenkrad der Wiederauflage sind die des 63er Dodge Polara Annuals und die Innenraumwanne ist die des 64er Dodge Polara Promos. Beim 62er Dodge ist das übrigens analog. Das ist auch der Grund, warum die Innenausstattung bei den Wiederauflagen so schlecht paßt.