„Two Passenger Coupe“
Kogure, Maßstab 1:24
UMO – Unbekanntes Modell-Objekt
Selbst für langjährige Modellbauer und Sammler hält das Hobby Plastikmodelle immer wieder neue und spannende Überraschungen bereit – wie das einstige Wrack dieses „Two Passenger Coupes“ von Kogure im Maßstab 1:24.
Wie alles begann
Am Anfang stand, wie so oft, ein Tauschgeschäft zwischen befreundeten Sammlern nach dem bekannten Motto: „Gibst Du mir, geb´ ich Dir...“. Teil dieses Geschäftes war eine alte Italeri-Schachtel mit – zunächst nur oberflächlich betrachtet – fast unbrauchbarem Inhalt: Ein ehemals wohl schlecht lackiertes und gebautes, teilzerlegtes Oldtimermodell, das wie eines der bekannten Monogram-Modelle wirkte.
Erst der zweite, weitaus intensivere Blick auf dieses Häufchen Modellschrott förderte erstaunliche Einzelheiten zutage. Obwohl sehr ähnlich aufgebaut, stammte der Kit nicht von Monogram, sondern, wie die beiliegende Bauanleitung verriet, von einer japanischen Firma namens „Kogure“.
Wie die Bezeichnung „Two Passenger Coupe“ bereits vermuten ließ, konnte das Modell außerdem keiner der von Monogram her bekannten Marken aus den späten ´20er oder frühen ´30er Jahren wie Packard, Duesenberg oder Cadillac zugeordnet werden. So schienen sowohl der imposante Kühlergrill mit den markanten Querstreben und der hoch aufragenden Kühlerfigur als auch die zweisitzige Coupe-Karosserie reine Phantasieprodukte ohne reales Vorbild zu sein.
Aller Anfang ist schwer
Spätestens jetzt war das Interesse des engagierten Sammlers und damit die Begierde nach weiteren Informationen zu diesem Bausatz geweckt. Recherchen in der eigenen Sammlung brachten allerdings nur zwei weitere Kogure-Bausätze ans Tageslicht: Einen Lotus Elan und einen Lotus Elite, beide im Maßstab 1:20. Allerdings ist bekannt, dass es gerade in der Gründerzeit des japanischen Plastikmodellbaus eine ganze Reihe von kurzlebigen „Eintagsfliegen“ gab: Iwahori, Crown, Paramount, Sankyo, UM, Mitsuwa und eben wohl auch Kogure, um nur einige zu nennen.
Fast noch interessanter sind dagegen die Parallelen zu einem anderen Oldtimer-Kit der ebenfalls längst verblichenen Firma Bandai. Von diesem unglaublich vielseitigen Hersteller gab es einen „Duesnberg (kein Schreibfehler, siehe Abbildung!) Model SJ“, laut Deckelbild im Maßstab 1:20, in Wirklichkeit aber eindeutig 1:24.
Bis auf die viertürige, geschlossene Karosserie dieses Modells ist alles andere hemmungslos von den entsprechenden Monogram Duesenbergs abgekupfert. In dieser Serie gab es von Bandai außerdem noch einen 1931er Rolls Royce, der sogar fast ohne Änderungen von Monogram übernommen wurde.
Solcherart tiefer in die Materie eindringend, stellte sich bald heraus, dass der größte Teil des „Two Passenger Coupes“ auf eben diesem 1931er Rolls Royce Henley Convertible von Monogram basierte.
Wie die Abbildungen dieses Bausatzes und des fertigen Modells zeigen, wurden sowohl die komplette Bodenplatte mit den Kotflügeln als auch der hintere Teil der Karosserie von Kogure unverändert übernommen.
Das Gleiche geschah mit dem
Rahmen und dem Motor.
Ebenso mit der lenkbaren Vorderachse und dem gesamten Unterboden einschließlich der Stoßstangen samt Halterungen.
Um das alles zu verstehen, muss man in die frühen und wilden Tage des Plastikmodellbaus zurück gehen.
Anfang der ´60er Jahre boomte das neue Hobby derart, dass Firmen wie AMT, Revell, Monogram oder Jo-Han kaum mit der Produktion ihrer Bausätze Schritt halten konnten. Den geschäftstüchtigen, aber zu dieser Zeit noch nicht so sehr kreativen Japanern blieb, wenn sie ihren Teil vom großen Kuchen abhaben wollten, nichts anderes übrig, als einige Bausätze der damals am Markt führenden amerikanischen Hersteller zu kopieren.
Monogram brachte die legendäre Oldtimer-Serie erstmals im Jahre 1964 heraus; dem entsprechend erschienen die japanischen „Zwillinge“ etwa 1966/67. Bandai kupferte im Übrigen auch den Monogram-Jaguar E-Type im Maßstab 1:8 fast unverändert ab – was sonst noch alles an amerikanischem, englischem, französischem oder auch deutschem Bausatz-Know-How ohne oder mit nur geringfügigen Änderungen in diesen frühen Jahren unter einem japanischen Label verkauft wurde, ist heute kaum mehr nachvollziehbar.
Phoenix aus der Asche
Zurück zum „Two Passenger Coupe“ von Kogure. Man muss den Verantwortlichen von damals noch heute bescheinigen, dass die von ihnen vorgenommenen Änderungen an der Monogram-Basis so geschickt ausgeführt sind, dass ein absolut eigenständiges Modell entstand. Wer die Abbildungen des gebauten Monogram-Rolls Royce mit denen des „Two Passenger Coupes“ vergleicht, wird die genannten Gleichteile kaum oder oder nur bei näherem Hinsehen erkennen. Gerade die Tatsache, dass sich das Kogure-Modell keiner existierenden Automarke zuordnen und in keines der bekannten Oldtimer- Schemen (Town Car, Phaeton, Convertible) pressen lässt, macht diese Replik so einmalig und interessant.
Viele, viele Jahre ruhten die Kogure-Fragmente in der alten Italeri-Schachtel und wären fast dem Vergessen anheim gefallen. Bei einem der regelmäßig stattfindenden Treffen mit Gleichgesinnten kam dann irgendwie die Rede auf dieses Unikat und die ersten Planungen, wie denn das traurige Wrack zu neuem Leben erweckt werden könnte, wurden gemacht.
Die zahllosen Irrungen und Wirren der ebenfalls viele Jahre dauernden Restaurierung zu beschreiben (unter anderem vier misslungene Lackierungen), würde den Rahmen dieses Berichts sprengen – wer sich so etwas antut, muss auf jeden Fall komplett verrückt sein!
Aber jetzt „lebt“ es wieder, das einmalige und in unseren Breitengraden gewiss extrem seltene „Two Passenger Coupe“ von Kogure. Somit zeugt es von einer Epoche, in der jedes Mittel recht war, im Bausatz-Geschäft zu bleiben oder erst mal dahin zu kommen. Heute sind gerade diese Raubkopien das Salz in der Plastiksuppe – wer schert sich da schon um Urheber-Rechte?
Modell, Text und Bilder: Gerhard Hoffmann, Bachmehring
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ChV (Mittwoch, 16 Oktober 2019 21:46)
Das Ding geht nicht nur als modellbauerische Kuriosität durch, könnte auch ein interessanter What If sein. So wie ich verstanden habe, ein eindeutiges Rolls-Royce Chassis mit einer phantastischen Phantasie-Carrosserie. Sowas gab es ja wirklich, in den 30ern als Neucarrosierung z.B. als Unfallreparatur oder nach dem Krieg im Zuge einer Revitalisierung. Man braucht ja nur auf www.coachbuild.com schauen...
Schönes Ding und der aufwendigen Rettung auf jeden Fall wert.
Herzliche Grüße, Christian