International Harvester Muldenkipper, amt/ERTL. Maßstab 1:25
NOCH´N GEWICHT!
Das zweite Bausatz-Schwergewicht von amt/ERTL nach der Caterpillar-Schubraupe – siehe untenstehenden Bericht - legt noch mal eine Schippe drauf: der International Harvester Muldenkipper im
Maßstab 1:25!
Eigentlich sind (fast) alle Männer gleich. Neben verschiedenen anderen Eigenheiten zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie meist für große, laute Maschinen zu begeistern sind. Wie wäre es zum
Beispiel mit einem Kipper, der leer bereits über 30 Tonnen wiegt, beladen stattliche 82 Tonnen Gesamtgewicht umher schleppt und außerdem den Vorteil bietet, als Plastikbausatz im Maßstab 1:25 zu
existieren? Der Bausatz, mit dem sich dieser Bericht befasst, stellt ein Fahrzeug dar, das von den späten ´60er Jahren an über einen Zeitraum von gut zwanzig Jahren gebaut wurde.
Das Original war wahlweise mit einem gewaltigen Cummins-4-Takt-Diesel ausgestattet oder - wie im Bausatz dargestellt - mit einem Ungetüm von Motor, das den Konstrukteuren in Anbetracht seiner
Trinksitten heutzutage wohl einen eigenen Sitz bei der nächsten Klimakonferenz bescheren würde. Es handelte sich hierbei um einen 2-Takt-Diesel- Motor (2-Takt, Ihr habt richtig gelesen!) der
Firma Detroit Diesel, der 16 Zylinder, über 18 Liter Hubraum sowie zwei Kompressoren bemühte, um rund 560 Pferde in Wallung zu versetzen. Das mag sich für ein so gewaltiges Fahrzeug
nach nicht allzu viel anhören, ein Drehmoment von gut 1500 Newtonmetern war für die damalige Zeit allerdings eine Menge Holz. Die Detailkenntnisse des Autors über diese Fahrzeuge sind nicht so
umfangreich wie die über europäische Nutzfahrzeuge, robust müssen diese Kipper aber allemal gewesen sein. Bei den Recherchen für das Modell stieß er jedenfalls noch im Jahre 2008 auf mehrere
Verkaufsofferten für intakte Exemplare dieses Typs.
Im Maßstab 1:24/25 sind Kits von schweren Baumaschinen wie Muldenkippern oder Planierraupen etc. leider recht dünn gesät. Das Wenige, das es gibt (oder besser gesagt: gab) stammt eigentlich fast
gänzlich aus dem Fundus von amt/ ERTL aus den USA und ist momentan nur antiquarisch zu bekommen. Man sollte jedoch den Mut nicht sinken lassen, denn es kommen von Zeit zu Zeit Wiederauflagen, bei
denen man dann natürlich sofort zuschlagen muss - wer weiß wann (und ob) die nächste kommt...?
Der Bausatz dieses Muldenkippers stammt von ERTL und datiert in seinen Ursprüngen bis in die frühen ´70er Jahre zurück. Lange Zeit zu utopischen Preisen gehandelt, gab es vor wenigen Jahren eine kleine Sensation: Ohne große Ankündigung wurde der Bausatz in den USA noch einmal für kurze Zeit aufgelegt und für lächerliche 27 Dollar feilgeboten. Sie dürfen jetzt raten, wer für sich und ein paar gute Freunde einen Schwung dieser Raritäten über den großen Teich holte...?
Kommen wir nun zum Bausatz selbst: Wer in Anbetracht des Alters einen Bausatz mit schlechten Passungen, fragwürdigen Proportionen und anderen Freuden aus jener Zeit erwartet, wird eine angenehme Überraschung erleben. Bei annähernd 400 Teilen, aus denen ein Modell entsteht, das bereits durch seine schiere Größe beeindruckt, ist klar, dass es sich nicht um einen Bausatz für Anfänger handelt. Allerdings fallen die Qualität und die Passgenauigkeit selbst nach heutigen Maßstäben absolut einwandfrei aus.
Eine erste Durchsicht des Bauplans wird vielleicht so manchen wegen des Umfangs erbleichen lassen, aber im Gegensatz zu vielen anderen Bauanleitungen ist dieser Plan wirklich gut durchdacht und beinhaltet außerdem in jeder Baustufe eine Art Checkliste, damit bei der Montage keine Teile vergessen werden. Eine gute Idee, denn bereits der Motor besteht aus etwa 50 Einzelteilen und stellt nur den Auftakt zu einer wahren Plastik-Orgie dar. Der Zusammenbau an sich geht dann eigentlich ziemlich reibungslos von der Hand, es ist allerdings ständig Vorsicht geboten, weil es sehr leicht passieren kann, Teile falsch zu verbauen. Wenn man das erst bei einer bereits ausgehärteten Baugruppe bemerkt, die man weiter verarbeiten möchte, sieht`s düster aus.
Was für den Autor neben der ungewöhnlichen Vorbildwahl wohl den größten Reiz an diesem Modell darstellt, sind die schier unerschöpflichen Möglichkeiten zum Altern, Verwittern und Patinieren, zu denen dieses Fahrzeug einen förmlich nötigt. Daher möchte ich diesmal den geneigten Leser nicht mit unnötigen Erläuterungen zur Bauanleitung ermüden, sondern auf ein paar kleine Kniffe eingehen, mit denen der Modellbauer eines der nächsten geplanten Modelle etwas ´alt´ aussehen lassen kann. Das Modell, das Sie hier sehen, hat eines mit vielen anderen gemeinsam: Ohne Alterungseffekte und künstlichen Dreck würde es nicht ´leben´, sondern sähe eher wie ein Spielzeug aus.
Fangen wir mit dem Motor an. Es handelt sich, wie gesagt, um ein Aggregat von Detroit Diesel, dessen Ausmaße dadurch zustande kommen, dass man seinerzeit zwei Achtzylinder- Blöcke aneinander fügte, wodurch ein V 16 entstand. Daher gibt es auch zwei Kompressoren. Wer sich richtig in die Materie vertieft und umfangreicher recherchiert, wird bestimmt auf genug Material stoßen, um für Wochen nur an Motordetails zu arbeiten. Neben etwas Detailarbeit nahm sich der Erbauer die Freiheit, den Motorblock abweichend vom großen Vorbild in Weiß zu halten. Richtig wäre das Gelb des Rahmens gewesen, aber es sollte nicht alles im gleichen Ton erscheinen. Nehmen wir einfach an, das Fahrzeug hätte irgendwann einen Tauschmotor bekommen und schon lässt sich das erklären.
Nun hat so eine Maschine natürlich ein hartes Dasein, was man mit ordentlich ´Schmutz´ hervor hebt. Für solche Fälle befindet sich in der Werkstatt ein extra Fläschchen mit Verdünnung, in dem nur Pinsel gereinigt werden, mit denen zuvor dunkle, matte Farben verarbeitet wurden. Billiger kann man ´Spezialfarbe´ für verölte Motoren oder zum Hervorheben von Details und Gravuren nicht herstellen. Nach mehreren ´Waschgängen´ mit verschiedenen verdünnten Grau- und Rosttönen bleibt vom strahlenden Weiß nicht mehr viel übrig.
Beim ´Einsauen´ von Motoren muss man nur aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Die Gefahr besteht in diesem Fall allerdings kaum. Frisch ausgetretenes Öl oder ´schwitzende´ Dichtungen lassen sich darstellen, indem man etwas glänzendes Schwarz stark verdünnt und dieses aufbringt. Bis man darin Übung hat, sollte man sparsam beginnen, um den Effekt nach der Trocknung einschätzen zu können.
Zu einem derart „gezeichneten“ Motorblock brauchen wir natürlich eine ähnlich mitgenommene Auspuffanlage. Für den Rosteffekt, den man hier sieht, gibt es ein Produkt, das der Autor ausdrücklich
empfehlen möchte. Es ist in guten Modellbaufachgeschäften zu bekommen und besteht aus zwei kleinen Glasfläschchen, von denen eines eine flüssige Substanz enthält, in der Eisen gelöst ist. Nach
gründlichem Aufrühren lässt sie sich ganz normal mit einem Pinsel auf jeden beliebigen Untergrund, also auch Plastik, aufbringen. Nach einer Trocknungszeit von wenigstens einem Tag bildet sich
dann ein dunkelgrauer Überzug. Nun kommt die zweite Flasche zum Einsatz.
In ihr befindet sich eine schwache Säure, die beim Aufbringen auf unser Eisen nur beschleunigt, was mit unlackiertem Eisen ohnehin geschieht, wenn man nur lange genug wartet: das Teil rostet. Der Effekt lässt sich mit ein wenig Übung leicht variieren: Je mehr Säure man nach und nach aufbringt, desto mehr blüht der Rost auf. Also: Vorsicht hier, sonst wird die ganze Sache womöglich rostiger als man das vorher haben wollte. Die Auspuffrohre einer Maschine wie dieser bekommen allerdings ordentlich Hitze ab, so dass mehrere Male mit der Säure nachgelegt wurde, um ordentlich Rost zu produzieren.
Am Vorbau, der den Motor umgibt und der auch die recht kleine Fahrerkabine trägt, wurde baulich wie auch am Rest des Modells kaum etwas verändert. Die einzige wirklich unumgängliche Änderung
betrifft die Kipphydraulik. Die (zu) vielen Einzelteile für die Hydraulikzylinder sowie die dazu gehörigen Kolben führen dazu, dass das Ganze einfach nicht passgenau genug ist, um ein
befriedigendes Resultat zu erreichen. Übrigens kann sich der Autor nicht erinnern, in einem Plastikbausatz je eine wirklich brauchbare Hydraulik vorgefunden zu haben!
Abhilfe kann jeder leicht selbst schaffen: Man besorgt sich drei Aluminiumröhrchen, die vom Durchmesser her ineinander passen. Das Rohr mit dem geringsten Durchmesser wird auf die Länge zugeschnitten, die nötig ist, um den Zylinder vollständig ausgefahren darzustellen. Die beiden anderen müssen jeweils immer kürzer werden, die Teile aus dem Bausatz liefern die Maße. So entsteht ein ´Dummy´, der zwar nicht funktioniert, aber das Gewicht der Mulde mühelos trägt und ohne viel Mühe herausnehmbar ist, wenn das Modell mit abgesenktem Aufbau aufgestellt oder transportiert wird.
Ansonsten reicht Patina, um den Kipper ´lebendig´ werden zu lassen. Das führt uns zum Thema Farbe. Nach erfolgter Grundierung mit rotem Rostschutzgrund (wie immer aus dem Baumarkt) werden alle Teile mit Ausnahme des oberen Kabinenteils, der Motorhaube sowie einiger Kleinteile mit der Airbrushpistole in einem matten Gelbton (z.B. Matt 15 von Revell) lackiert. Wer mag, kann ebensogut einen entsprechenden Ton aus der Dose nehmen, muss dann aber darauf achten, keinen Lack zu erwischen, der sich mit der Grundierung nicht verträgt. Es ist außerdem sinnvoll, sich vorher Gedanken darüber zu machen, welche Baugruppen man schon vor der Lackierung montieren kann, eventuell auch abweichend von der Bauanleitung. Das bietet sich in diesem Fall zum Beispiel bei der Kippmulde an.
Wenn die wesentlichen Baugruppen Rahmen, Vorderbau mit Fahrerkabine und Mulde nach erfolgter Vormontage lackiert sind, geht es schon ans Altern und Verschmutzen. Um den verstaubt-ausgebleichten Effekt wie hier zu bekommen, lässt man aber die Farbe nicht wie gewohnt völlig durchhärten, sondern wartet nur, bis sie sich so gut wie trocken anfühlt und verabreicht dem Modell dann gleich ein schönes Staubbad mit Fliesenkleber, Zement oder Ähnlichem, das trocken darauf gestreut und sofort im Anschluss mit einem Lappen verrieben wird. Man wird feststellen, dass sich der Staub buchstäblich in die Farbe frisst und das Ganze praktisch im Nu trocknet, da der Fliesenkleber die restliche Feuchtigkeit des Lackes aufnimmt. Wem das alles etwas zu gewagt klingt, der möge es an einem ´übrigen´ Modell oder einem Stück Plastik testen. Mit ein wenig Übung gelangt man sehr schnell zu verblüffenden Ergebnissen.
Dickere und verkrustete Verschmutzungen kann man auch im Nachhinein darstellen, indem man dicker aufstreut und mit einem Wasserzerstäuber Feuchtigkeit hinzufügt. Der Staub reagiert mit dem Wasser und härtet aus, was unsere schöne Patina auch noch unempfindlich macht. Diese einfache Technik kann ebenfalls bei Reifen angewandt werden, und zwar auch ohne diese vorher mit Farbe zu behandeln. Das Ergebnis ist ein gebraucht wirkender Pneu, dessen Details obendrein noch hervor gehoben werden. Dazu wird der Bausatzreifen gründlich im Fliesenkleber gewendet - etwa so, als ob man ein Schnitzel paniert. Dann reibt man ihn mit einem Lappen wieder ab. Die Oberfläche bleibt jetzt schön matt, die Details des Profils und alle anderen Einzelheiten werden hierdurch deutlich heraus gearbeitet.
Sind nun endlich alle Baugruppen fertig patiniert und ist das Modell schließlich zusammen gebaut, bleibt noch ein Vorschlag für das so genannte „i-Tüpfelchen“ bei Modellen, die schwere Fahrzeuge darstellen, zu machen: Die Reifen müssen ein wenig abgeflacht werden, um realistisch zu wirken. Dazu gibt es zweierlei Möglichkeiten: Zum einen die langwierige, mit der jeder Reifen einzeln mit irgendwelchen Messern oder Feilen bearbeitet wird oder die schnelle, die der Autor anzuwenden pflegt.
Dazu liegt ein Stück Aluminiumfolie, das so groß ist, dass das ganze Modell darauf passt, auf einer Herdplatte, die ebenfalls alle Räder des Fahrzeugs direkt erreicht (ACHTUNG!!!! Das geht natürlich NICHT mit Gas- oder Induktionsherden, nur mit gewöhnlichen Elektro-Kochplatten/Herdplatten). Die Platte wird für kurze Zeit auf eine mittlere Temperatur eingestellt, bis die Hitze kommt. Die Folie bewirkt zweierlei: Zum Ersten leitet sie die Hitze hervorragend an die Reifen weiter, die sehr bald weich werden und in die Knie gehen, zum Zweiten schützt sie den Rest des Modells vor eben dieser Hitze.
Sobald die Reifen anfangen einzusinken, wird sofort die Hitze ausgeschaltet und das Modell samt Folie entfernt (am besten funktioniert das Ganze auf einem Ceranfeld). Die Kochplatte ist durch die
Folie auch vor Verschmutzung geschützt, da es keinen direkten Kontakt zwischen Reifen und Platte gibt. Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dass man sich bei einer solchen Operation keinesfalls vom
Ort des Geschehens entfernen darf, bevor alles fertig und der Herd wieder aus ist, sonst kann man auf diese Weise leicht das ganze Haus abfackeln! Außerdem sollten eventuell vorhandene Ehefrauen/
Freundinnen vorher über die bevorstehende Aktion in Kenntnis gesetzt werden, um unangenehmen spontanen Reaktionen vorzubeugen. Die Reifen dieses Modells wurden auf diese Weise mit Erfolg
bearbeitet, aber nochmals der Hinweis: Unbedingt dabei bleiben und höchste VORSICHT!
Damit wäre unser völlig verkommener Kipper vollendet, und wenn auch das Thema Patina hier nur angerissen wurde, so lassen sich die beschriebenen Methoden zum Verwittern und Altern natürlich auf jedes andere Modell übertragen. Abschliessend noch ein Wort zum Bausatz des International Harvester Muldenkippers. Für Fans dieser Materie ist er auf jeden Fall ein echtes Highlight und als Bausatz durchaus eine Sünde wert. Mit anderen Worten: wer eine dieser Pretiosen aufstöbert und sie für einen vertretbaren Preis bekommt, sollte sich dieses Monstrum unbedingt sichern und vor allem auch bauen! Dafür waren die Dinger nämlich mal gedacht. In diesem Sinne: auf zum Baumarkt...
Text und Modell: Matthias Stanner, München
Fotos: Daniela Barth Photo Kunst Design, München
Danksagung:
Wiederum ein herzliches Dankeschön an Daniela Barth, München, die ihre tollen Bilder zur Verfügung stellte!
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