Tim und Struppi, Teil 1

Berühmte Fahrzeuge aus Film, Fernsehen und Literatur im einzig wahren Maßstab 1:32


HEUTE: TIM UND STRUPPI
TEIL 1: DIE SIEBEN KRISTALLKUGELN


Kapitän Haddocks Lincoln Zephir und das 1938er Cadillac-Taxi


Warum jetzt ausgerechnet Filmautos oder: Ein weiterer Weg, sich die Sammelleidenschaft noch etwas komplizierter zu gestalten...


Der Mensch war, ist und bleibt Jäger und Sammler. Dieses Verhalten dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein und wird auch von der Freizeit-Industrie weidlich ausgenützt (die Steinzeit ist halt doch noch nicht so lange her). Auch dem, der am lautesten trommelt, laufen immer noch fast alle hinterher – aber das ist ein anderes Thema...


Da der Autor glücklicherweise zu jener Spezies Menschen gehört, die nicht die ganze zur Verfügung stehende Energie in die Suche nach Nahrung investieren muss, frönt er dem einen oder anderen Hobby, bei dem es um´s Sammeln geht. Die Anfänge dieser Sammlerkarriere gehen ziemlich weit zurück und hatten zunächst mit dem Erwerb von VW-Modellen, insbesondere mit Käfer-Repliken zu tun. Irgendwie hatte sich die Meinung gefestigt, dass es sich beim Käfer wohl um das beste Auto der Welt handeln müsse (da sieht man mal wieder, was Werbung so alles anrichten kann). Dass der 1200er Standard, der sich seinerzeit im Familienbesitz befand, bei kühleren Temperaturen oft nicht anspringen wollte und die Heizung nur im Sommer gut funktionierte, wurde schon bald verdrängt.


Doch ich schweife ab, denn jetzt kommt der springende Punkt: Je breiter das Sammelthema, desto schneller reitet man sich in den Ruin oder in die Langeweile. Das führte dazu, dass ich begann, meine Sammelleidenschaften auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Übrig blieben Rennbahn- und Modellautos im Maßstab 1:32, da sich diese, sollte jemals eine Bahn mit Diorama entstehen, hervorragend ergänzen würden.


Das ging bis Mitte der ´90er Jahre auch ziemlich gut: Die Rennbahn war eine „Carrera Universal“ und die paar bei uns erhältlichen Automodelle in 1:32 bildeten eine äußerst übersichtliche Gruppe. Doch mit den jüngst hinzu gekommenen Anbietern von Slotcars und deren breit gefächertem Angebot zeichnet sich bereits der nächste Overkill ab. Zu allem Ärger steht es auch keiner dieser Anbieter durch, sich einem Thema erschöpfend zu widmen. Der Mix von Modellen verschiedener Hersteller hilft da zwar weiter, ist aber auch nicht immer das Gelbe vom Ei.


Wie gut, wenn ein zweites Herz für den Modellbau schlägt! Das garantiert wirkliche Unikate und fördert, frei nach Darwin, die Artenvielfalt. Jedoch ist es auch hier ratsam, sich immer ein Thema vorzugeben, um nicht gleich wieder in besagtem Wald zu stehen. Mercedes Silberpfeile beispielsweise, vielleicht Youngtimer oder noch besser: Film- und Literatur-Fahrzeuge beziehungsweise solche, die im weitesten Sinne damit zu tun haben. Den Virus für diese Art von Autos fing sich der Autor eindeutig mit James Bonds Aston Martin DB 5 von Corgi Toys ein. Und er weiß noch gut, dass sein Bruder für das gleiche Geld zwei andere Modelle geschenkt bekam! Aber das mussten ihm die Reifenschlitzer, die drehbaren Nummernschilder, die ausfahrbare Panzerplatte, die vorderen MGs und natürlich der Schleudersitz für den Baddie wert sein! Die Firma Corgi hatte auch ein Näschen für viele andere automobile Berühmtheiten (ein illegales Kind meiner Sammlerei, da meist im Maßstab 1:43 gehalten).


Durchforstet man nun das Angebot an 1:32er Modellen in Bezug auf dieses Thema, gibt es natürlich schon einiges zu sammeln, was „vorsätzlich“ den Fahrzeugen aus Film und Literatur entspricht. Bei genauerer Betrachtung allerdings befindet sich eine noch größere Anzahl an Modellen im Angebot, die den Film- und Literatur-Autos „zufällig“ sehr ähnlich sind. Und zu guter Letzt wären da noch die Modelle, die man ziemlich aufwändig umbauen oder umlackieren muss, um sie ihren Vorbildern anzugleichen – genau diesen wollen wir die folgende Beitragsreihe widmen!


Soweit die allgemeinen Betrachtungen zum Sammeln an sich und im speziellen Falle. Die zündende Idee für dieses und vier bis fünf weitere Projekte waren die zum 75-jährigen Jubiläum erschienenen Tim und Struppi-Figuren, die, oh Wunder, tatsächlich auch in der korrekten Größe um 54 mm zu haben waren.


Wer kennt ihn nicht, den jungen Reporter, der Ende der ´20er Jahre dem Einfallsreichtum des belgischen Zeichners Hergé entsprang? Ein Markenzeichen der Tim und Struppi-Alben sind der unbedingte Realismus und der einzigartige Detailreichtum der bebilderten Abenteuer. Es gibt nicht viele Comics, in denen die Akteure tatsächlich fünf Finger an jeder Hand haben und die Proportionen der Figuren derart stimmig ausfallen. Demzufolge verwundert es niemanden, dass die gezeichneten Fahrzeuge in den Geschichten meist so detailliert sind, dass sogar das Baujahr der Autos mit Bestimmtheit genannt werden kann.


Interessant dürfte hier zudem die Zeitlosigkeit der Figur des Reporters und seiner treuen Freunde sein, die uns ein Potpourri an Fortbewegungsmitteln aus den ´20er Jahren bis in die ´70er Jahre beschert. Man bedenke zudem, dass gerade die frühen Alben von Hergé und Edgar Pierre Jacobs noch mal bearbeitet und modernisiert wurden. Am deutlichsten wird dies, so finde ich, im Album „Die schwarze Insel“.


Nun verhält es sich so, dass die 23 veröffentlichten Alben mit einer ganzen Armada an Fahrzeugen aufwarten können, die es wert wären, gebaut zu werden. Jedoch lassen sich hier, genauso wie im Film, sehr schnell zwei Kategorien von „Darstellern“ herausarbeiten: Erstens die überwiegende Anzahl von Statisten, die sich je nach Lokalität auf den Bildern der Comics tummeln. Danach folgen schon die Hauptakteure, die in die Handlung eingeflochten sind und sich wiederum in mehrere Kategorien einteilen lassen.


Der geneigte Leser wird überdies feststellen, dass sich der ehrenhafte Held der Geschichten während des Wechsels der Örtlichkeiten mit dem Auto oft nicht gerade zimperlich in Hinblick auf die Wahrung des Eigentums anderer Leute gibt. Zu seiner Entlastung sei angemerkt, dass erstaunlicherweise auch immer der Zündschlüssel zu stecken scheint, was wiederum ein Beweis für den Leichtsinn der autofahrenden Bevölkerungsgruppe ist. Sieht man nun also von Diebstahl, Anhalterei und Inanspruchnahme von Mietkarossen ab, bleiben nur noch zwei Fahrzeuge übrig, die wirklich von einem der Charaktere rechtmäßig besessen werden: Zum einen die legendäre Tin Lizzy, die Tim für seine Safari im Kongo erwirbt und zum anderen der fantastische, kanariengelbe Lincoln Zephir, den sich Kapitän Haddock nach erlangtem Reichtum auf seinem Altenteil an Land zugelegt hat. In der Folge „Die sieben Kristallkugeln“ widmet Hergé diesem Fahrzeug rekordverdächtige 22 Bilder.


Konkret geht es hier um einen Lincoln Zephir des Baujahrs 1938. Da diese Geschichte aus der mittleren Schaffensperiode Hergés stammt, handelt es sich tatsächlich um das originäre Fortbewegungsmittel der Wahl. Wie so oft zeigt sich, dass die Palette der erhältlichen Fertigmodelle und Bausätze im Maßstab 1:32 zwar groß, aber doch überschaubar ist. Somit kommt als geeignete Grundlage zur Umsetzung von Haddocks Nobel- Hobel nur das von der Firma „Signature“ angebotene Modell in Frage. Hierbei handelt es sich jedoch schon um das „Facelift“ des Baujahres 1939 (interessant wäre in diesem Zusammenhang, ob das Wort „Facelift“ damals überhaupt schon existierte).


Das bedeutet, dass die im Comic noch sichtbaren seitlichen Trittbretter hinter den ausladenden unteren Türblättern verschwunden sind. Wenn man nicht so genau hinsieht und dabei die Augen ganz leicht zukneift, gibt es da eigentlich keinen Unterschied zu sehen. Also frisch ans Werk und das üppige Modell vorsichtig in seine unzähligen Einzelteile zerlegt. Vorsichtig deshalb, weil es sich bei den Chinesen scheinbar um die größten Fans von Sekundenkleber auf Gottes Erden handelt: „Hunderttausend Höllenhunde!“


Die beste Grundierung ist wie üblich der originale Lack, der nur leicht angeschliffen wird. Da das Modell ursprünglich in Schwarz erscheint, ist eine erste Lackschicht in Weiß unabdingbar. Danach folgt die Decklackierung in besagtem Kanariengelb und der Zusammenbau in umgekehrter Reihenfolge der Demontage (natürlich mit Sekundenkleber). Die Schachtel des Signature-Modells dient, da die Figuren noch dazu drapiert werden und ein Ausdruck der entsprechenden Stelle im Comic für Stimmung sorgen soll, gleich als Grundplatte für das minimalistische Diorama.

Ein weiterer Kandidat aus der Kategorie der in die Handlung verflochtenen Fahrzeuge stellt mit Sicherheit der 1938er Cadillac dar. Nachdem eine heilige Kuh Kapitän Haddock schwungvoll im Fond abgeladen hat, muss dieser Wagen für die Weiterfahrt zum Flughafen herhalten. Baujahrestechnisch in der Nähe des Lincoln Zephir, zeigen sich zwischen den beiden Fahrzeugen schon deutliche Unterschiede im Styling, die wohl zugunsten des Lincoln ausgehen. Das Kuriose an diesem Auftritt dürfte allerdings sein, dass es sich seinerzeit in Indien bei öffentlichen Taxen selbst in Dehli kaum um 16 Zylinder-Cadillacs gehandelt haben dürfte!


Nichts desto trotz hat sich Hergé mit diesem Fahrzeug ein schönes Exemplar für den Einsatz heraus gesucht. Die Grundlage für den Umbau bildet auch in diesem Falle ein Fertigmodell der Firma Signature, das seines Daches beraubt und in orange Farbe getaucht wird. Ein weißer Streifen rund um das ganze Modell schließt auch diese Verwandlung ab.


Auch hier dient die Signature- Verpackung gleich der Aufnahme der Szenerie. Bei der Ausstattung mit den entsprechenden Bildchen aus dem Comic geht es dabei schon etwas professioneller zur Sache: Nach dem Einscannen des Bildes wird der Cadillac samt Chauffeur wieder haraus retuschiert. Übrig bleiben der staunende Passant und der von hinten in vollem Galopp nahende Haddock samt Kuh. Dazu noch Tim auf dem Kissen sitzend und fertig ist die Hommage an Tim in Tibet aus der Sicht des Automobilisten – übrigens eines der wenigen Abenteuer, in denen der treue Gefährte Struppi nicht erwähnt wird!


Text, Modelle und Fotos: Robert Martens, Karlsfeld bei München

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