Renval Revivals Folge 2

Geheimnisvolle Bausatz-Geschichten


MYSTERIOUS KITS TEIL II


RENWAL REVIVALS – "DIE GLORREICHEN SIEBEN"
FOLGE 2 : DIE DREI BAUSÄTZE DER ZWEITEN SERIE


In den Jahren 1965/1966 präsentierte Renwal die legendäre "Revival"-Serie, die aus insgesamt sieben Bausätzen modern eingekleideter Klassiker der ´20er und ´30er Jahre im Maßstab 1:25 bestand. Die ersten vier dieser Kits wurden bereits in Folge 1 vorgestellt – hier sind die äußerst seltenen Modelle der zweiten Serie!

Die zweite Serie der Renwal Revivals


Im Jahre 1966 reichte Renwal als Ergänzung zu den bereits vorhandenen Bausätzen des Duesenberg, des Packard, des Stutz und des Mercer den Pierce Arrow, den Bugatti und den Jordan Playboy nach. Die Linien dieser drei ebenfalls im Geschmack der ´60er Jahre modernisierten Klassiker stammten wiederum aus der Feder von Virgil Exner und auch das Erscheinungsbild der Bausätze wurde nicht verändert. Allerdings lief das Geschäft mit den phantasievollen Kreationen in der zweiten Auflage 1966 längst nicht mehr so gut wie im Jahr zuvor, so dass die letzten drei Bausätze offensichtlich in wesentlich geringeren Stückzahlen produziert und verkauft wurden.
Man muss sich sowieso fragen, was die Jungs bei Renwal damals geraucht haben! Ein Fahrgestell im eigentlichen Sinn besaß keines der Modelle, denn sie sollten schließlich auch als Slotracer gebaut werden können. So gibt es jeweils nur eine simple Bodenplatte, was hauptsächlich bei den beiden real existierenden Autos (Mercer und Bugatti) stört und daher geändert werden muss. Die fünf anderen Modelle sind ja ohnehin Fiktion – so genannte "Clay"-Modelle ohne technisches Innenleben, wie es damals in der Entwicklungsphase neuer Modelle in der Automobilindustrie üblich war.

Der Pierce Arrow

 

Formal ist der Pierce Arrow wohl der spektakulärste der sieben Renwal Revivals. Das brachte nun wieder ganz besondere Probleme beim Bau mit sich: So musste der vordere Bereich um die Reserverad-Attrappe mit lackiert und daher nahtlos angeklebt und verspachtelt werden – leider befindet er sich aber an der Bodenplatte! Die erforderlichen Maßnahmen machten es andererseits unmöglich, die Innenraumwanne einzusetzen. Also musste die Bodenplatte durch die weit nach hinten gezogenen unteren Vorderkotflügel stufenförmig durchgeschnitten werden, um einerseits die sichtbaren Unterkotflügel zu verkleben und mit zu lackieren, gleichzeitig aber auch noch die große Innenwanne einschieben zu können. Die Fensterrahmen des Pierce Arrow sind wohl die filigransten Chromteile, die jemals in einem Bausatz für Ärger sorgten. Nach 45 Jahren – oder vielleicht schon damals? – gnadenlos verzogen und ohne jede Toleranz gefertigt, traut man sich die Dinger kaum anzufassen und doch müssen sie an ihren Platz. Das Ergebnis erfordert, wie bei den anderen Renwal Revivals auch, qualitative Abstriche – keinesfalls dürfen heutige Maßstäbe angelegt werden!

Der Bugatti


Auch beim Bugatti, von dem es ja ein Exemplar im Maßstab 1:1 gibt, liegen Welten zwischen dem Inhalt der Renwal Revival-Schachtel und dem Originalfahrzeug. Aus diesem Grund entstanden zwei Exemplare, wovon der dunklere ("Königsblau") aus der Box gebaut wurde. Bei beiden Modellen liegen die Räder allerdings noch immer in der Schachtel und da sollten sie auch bleiben, denn sie sind einfach zu schlimm. Da das Vorbild wunderschöne Borani- Speichenfelgen trägt, stand zunächst die Frage im Raum: "Woher nehmen?" Nach eingehender Recherche kristallisierte sich heraus, dass es die schönsten Boranis als Zurüstsatz für den Ferrari 250 Testa Rossa von Hasegawa mit einer eigenen Teilenummer gibt. Die Reifen kosten allerdings noch mal extra – aber das Ergebnis ist um Längen besser als die Räder aus der Renwal-Box, schon für damals eine Zumutung!
Zu den Rädern gehören auch die schmalen Weißwandreifen, die aus der Wiederauflage des 1959er Imperial von amt stammen. Die vorbildgerechten
"Bildschirmscheinwerfer" wurden einem Kit des 1966er Mustang von amt entwendet, dem sie als Custom-Option beiliegen. Die Rücklichter entstanden als komplette Eigenbauten nach Vorbildfotos, das Fahrwerk und der Motor stammen vom Burago-Bugatti 57 SC Atlantic im Maßstab 1:24. Allerdings musste der Rahmen gekürzt werden, um in die 101er Karosserie zu passen. Darüber hinaus wurden die Öffnungen des Seitenauspuffs verschlossen, da das Original keinen besitzt. Und man darf nicht immer nur meckern, sondern muss auch mal loben: Der Innenraum des Bugatti gelang Renwal hervorragend! Unter anderem hat jedes Instrument im Armaturenbrett ein eigenes Chromteil zu Einsetzen.
Ein sehr schöner, reich bebildeter Bericht über den originalen Bugatti erschien in der amerikanischen Oldtimer-
Zeitschrift "Collectible Automobile" im Oktober 1993.

Der Jordan Playboy


In puncto Passgenauigkeit stellt dieser Renwal-Kit einen absoluten Tiefpunkt in der Bausatzgeschichte dar. Sämtliche einzusetzenden quadratischen oder runden Bauteile sind ohne Toleranzen gefertigt und passten nicht in ihre Öffnungen. Eine Katastrophe, da dieses Problem ja erst nach der Lackierung bei der Endmontage auftritt! Als zusätzliches "Zuckerl" fehlte in dem zur Verfügung stehenden Bausatz der Innenraumboden, der aber dank eines zweiten Kits (der sich leider nicht im Besitz des Autors befindet!) rekonstruiert und nachgefertigt werden konnte. Die Räder sind derselbe Schrott wie die des Bugatti und daher zum Verbleib in der Schachtel verurteilt. Abhilfe schaffte diesmal ein Jaguar E von Franklin Mint, der mehr oder weniger freiwillig seine Räder spendete.

So wurden aus "Sieben auf einen Streich" letztlich "Alle Neune" und wenn sie so in einer Reihe dastehen und um die Wette glänzen, denkt keiner mehr daran, was für "Mistviecher" so alte Kits beim Bauen sein können. Apropos Bauen: Unberührte Renwal Revivals sind abgesehen von ihrer Seltenheit heutzutage viel zu teuer, um sie guten Gewissens einfach so zu bauen. Für deutlich kleineres Geld werden aber immer wieder sogenannte "Builder" angeboten, die sich
mit etwas Glück und viel Geschick durchaus restaurieren lassen.


Somit wären die Geheimnisse der mysteriösen Renwal Revivals gelöst, bis auf eines: Warum wurde diese Reihe nicht fortgesetzt? An großen Namen aus der Vergangenheit, die eine zeitgemäße Interpretation wert wären, fehlt es sicher nicht: Hispano Suiza, Marmon, Bucciali, Delahaye, LaSalle, Auburn, Cord....


Text und Modelle: Günther Eberhardt, München

Bilder: Gerhard Hoffmann, Bachmehring

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