Playcraft-Story

Geheimnisvolle Bausatz-Geschichten


Mysterious Kits Teil 2


Die Playcraft-Story


Und wieder steht die Frage nach dem "Warum?" am Beginn einer "Mysterious Kits"-Geschichte: Warum gibt es die Annual-Kits des 1959er Lincoln Continental und des Buick Invicta, beide jeweils als Hardtop Coupe und Convertible, nicht nur von AMT, sondern auch von einer geheimnisvollen Firma namens "Playcraft"?
Schon der erste, noch oberflächliche Vergleich zeigt, dass sowohl das Schachteldesign als auch der Inhalt der 1959er AMT- und Playcraft-Bausätze von Lincoln Continental und Buick Invicta identisch sind.
Allerdings gibt es einige Unterschiede bei den Bezeichnungen: Während AMT seine Modelle als "3 in 1 Customizing Kit" anpreist, die eine "Custom-", eine "Stock-" und eine "Competition"-Version enthalten, nennt sich das Ganze bei Playcraft "3 Kits in 1 Modern Car Set" und verspricht eine "Standard-", eine
"De-Luxe-" und eine Rally"-Ausführung als Inhalt.



Bei näherer Betrachtung entpuppen sich diese Angaben als reine Wortspielereien, denn den Kits beider Hersteller liegen exakt die gleichen Custom-Teile (Fender Skirts, Heckflossen, Louvres, Sidepipes, Flammen-Decals) und Racing- Accessoirs (Überrollbügel, Startnummern) bei. Auch alle anderen Bausatzteile stammen eindeutig aus dem selben Stall, so dass nach wie vor die Frage bestehen bleibt, wieso AMT und Playcraft die gleichen Produkte anboten?


Des Rätsels Lösung rückt etwas näher, wenn man sich mit dem Playcraft-Bauplan befasst. Obwohl die Zeichnungen und die Customizing-Tipps exakt mit den AMT-Bildern überein stimmen, enthält die Vorderseite eine wichtige Information:
"Printed in Great Britain" steht hier zu lesen, und an anderer Stelle "Makers of the Famous Corgi Toys, Playcraft Toys LTD., London". Wir haben es hier also mit Engländern zu tun, was die Suche nach der Wahrheit nicht gerade leichter macht...


Letztlich bleibt also nur mehr die Frage zu klären, warum amerikanische Annual Bausätze plötzlich in England
auftauchen? Hier lassen sich einige recht interessante Vermutungen anstellen, die der Wahrheit vermutlich sehr nahe kommen.


Die Firma Playcraft, als Produzent der zu Beginn der ´60er Jahre überaus erfolgreichen Corgi Toys-Modelle im Maßstab 1:43 sowie in einigen anderen Sparten gut im Rennen, witterte im gerade aufkeimenden Bausatz-Boom ein weiteres lohnendes Geschäft. Ob den verantwortlichen Marketing-Managern eine Bausatz-Eigenentwicklung letztlich zu teuer, zu aufwändig oder zu langwierig erschien, bleibt dahin gestellt. Auf jeden Fall – und das beweisen die Bausatz-Zwillinge ganz klar – kam auf der Suche nach geeigneten Partnern eine Vereinbarung mit AMT zustande, welche die Nutzung der vorhandenen Bausatz-Spritzformen des Lincoln Continental und des Buick Invicta von 1959 sowie deren Annual- Schachtel-Designs vorsah.


Ungeklärt bleibt dagegen die Frage, ob Playcraft die gesamte Fertigung der Bausätze mit den angemieteten AMT Formen in England durchführte oder nur angelieferte, bereits fertige AMT- Komponenten mit selbst gedruckten Schachteln und Bauanleitungen versah. Das im Vergleich zur AMT-Verpackung viel flachere und größere Schachtelformat spricht eher für die erste Theorie, nach der Playcraft die kompletten Kits mit den AMT-Werkzeugen selbst produzierte.


Wenn dem so war, müssen diese Formen allerdings nach einer relativ kurzen Produktionszeit wieder an AMT zurück gegangen sein, denn der ´59er Lincoln Continentel erschien dort 1967/68 noch einmal als "Craftsman Snap Kit" (Nr. 4035 und C-101) in sehr geringer Stückzahl. Auch der Buick Invicta erlebte ein Comeback in Amerika als "JR. Trophy"- Modell und als "Boondock Bomber" (Nr. T 124) im Jahre 1969.


Mit diesen Fakten lässt sich schlussendlich auch die Produktionszeit der Playcraft-Bausätze ziemlich exakt eingrenzen:
Nach den amerikanischen Annuals und vor ihren Wiederauflagen, also wohl in den Jahren zwischen 1961 und 1964.
Obwohl damit nun der Schleier über den wichtigsten Geheimnissen dieser "Mysterious Kits" gelüftet sein dürfte, quält den fanatischen Plastik- Sammler immer noch eine fürchterliche Ungewissheit: Gibt es außer den vier Bausätzen des offenen und geschlossenen 1959er Lincoln Continental und Buick Invicta noch irgendwelche andere Playcraft-Kits, womöglich im Maßstab 1:25...???

Danksagung


Ganz herzlichen Dank für die tatkräftige Unterstützung an
Günther Eberhardt, München: Gebaute Playcraft-Modelle des ´59er Lincoln
Continental Hardtop Coupes und des `59er Buick Invicta Convertible

 

Text und Bilder: Gerhard Hoffmann, Bachmehring

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Kommentare: 1
  • #1

    Oliver Löbert (Dienstag, 24 Dezember 2013 17:50)

    Sehr schöner und informativer Bericht über Bausatzraritäten aus einer Zeit vor über 50 Jahren.