Revell goes Chrysler

Geheimnisvolle Bausatz – Geschichten


Mysterious Kits
Teil 1


1961/62: Revell goes Chrysler


In den Jahren 1961 und 1962 lag das Geschäft mit 1:25er Werbemodellen und Bausätzen für die amerikanische Automobilindustrie fest in der Hand der Firmen AMT und Johan. Warum brachte Revell dann zusätzlich alle Chrysler- Fahrzeuge von 1961 im Maßstab 1:87, 1962 sogar in 1:25 heraus? Der Versuch einer Klärung...

 

1961

In den frühen ´60er Jahren war Revell neben dem Bausatz-Geschäft in 1:25 auch in der prosperierenden Modelleisenbahn-Szene aktiv. Davon zeugen zahlreiche HO-Gebäude-Modelle als Eisenbahn Zubehör und nicht zuletzt die sieben kleinen Chrysler-Autos sowie der dazu gehörige Autotransporter.
Die Autos gab es im Übrigen als Fertigmodelle in einer Blister-Verpackung (siehe Abb.) und als Bausätze, den Transporter dagegen nur als Kit.


Dass die angesprochenen Pkw-Modelle aus dem Jahre 1960 stammen, aber den gesamten Chrysler-Jahrgang 1961 wiedergeben, beweist, dass Revell schon sehr früh an Informationen über diesen Jahrgang gelangt sein musste, letztlich also eng mit Chrysler zusammen arbeitete. Diese Kooperation bescherte den Modelleisenbahnern 1961 folgende hoch aktuelle Modelle im Maßstab 1:87: Imperial 2door Hardtop Coupe, Chrysler Newport Convertible, Dodge Polara 2door Hardtop Coupe, Dodge Dart 2door Hardtop Coupe, Plymouth Fury Station Wagon, Plymouth Valiant Station Wagon und Dodge Lancer 4door Sedan.


Dass diese Modelle von der Qualität heutiger HO-Autos meilenweit entfernt waren, versteht sich von selbst. Außer beim offenen Newport Convertible gab es generell keine Inneneinrichtungen und die Modellbauer mussten sich mit stark vereinfachten Bodenplatten ohne Radhäuser, extrem dicken Klarsichtteilen sowie simplen, unstrukturierten Felgen/Reifen-Kombinationen zufrieden geben. Dafür lagen bereits, dem Beispiel der „großen Kollegen“ im Maßstab 1:25 folgend, zahlreiche „Customizing Parts“ bei: Antennen, Such- und Zusatzscheinwerfer, Side Pipes, Louvres, Dachgepäckträger für Ski, Gepäck und Leitern, zusätzliche Heckflossen, Decals und vieles mehr.

In den ´80er Jahren legte die dänische Firma Heljan diese Revell-Modelle als Bausätze wieder auf (siehe Abb.).
Dabei gab es keine Chromteile mehr, sondern nur noch schwarze sowie klare Plastikteile in Verbindung mit grauen Karosserien (siehe Abb.). Als äußerst störend in diesem kleinen Maßstab erwiesen sich die dicken Angüsse an den Gießästen, außerdem ließ die Qualität der Werkzeuge generell zu wünschen übrig, da manche Karosserien massive Unebenheiten aufwiesen.

Trotzdem stellen diese Heljan- Wiederauflagen heute hoch dotierte Sammlerstücke dar, von den Revell- Originalen ganz zu schweigen. In diese Reihe gehört am Rande auch noch der „Ford Auto Transport-Truck“ in 1:87, ein Kurzstrecken-Transporter für vier Fahrzeuge. Er ist in der damals bei Revell üblichen Multi-Piece-Bauweise gehalten und bereits in weißem, rotem und klarem Kunststoff gespritzt. Auf dem Seitenteil der überaus dekorativen Schachtel finden sich eine Abbildung des ´61er HO-Imperials als Hinweis auf die „Chrysler Corporation Cars“ (siehe Abb. rechts) sowie diverse Gebäudemodelle unter dem Motto „Other Revell H-O Accessories to add Realism to your Railroad“.


1962

 

 

Trotzdem die Industrie-Aufträge von Chrysler weiterhin in bewährter Art und Weise an AMT (Imperial und Plymouth Valiant) sowie Johan (Chrysler 300, Dodge Dart, Plymouth Fury) vergeben wurden, fertigte Revell eine eigene Chrysler-Serie im Maßstab 1:25, von der es im Gegensatz zu den anderen Herstellern auch keine Promotionals gab. Diese Serie enthielt folgende Modelle: Imperial Crown 4door Hardtop Sedan, Chrysler Newport Convertible, Dodge Dart 440 4door Hardtop Sedan, Plymouth Fury 2door Hardtop Coupe, Plymouth Valiant V-200 4door Sedan und Dodge Lancer GT 2door Hardtop Coupe.

Es mutet auch für damalige Verhältnisse seltsam an, dass Revell diese Serie entweder ohne Industrie-Auftrag realisierte oder aber Chrysler die Order noch einmal an Revell vergab. Für die letztere Annahme spricht der Schachtel-Aufdruck „Design approved by Chrysler Corporation“, was aber möglicherweise nur aussagt, dass Chrysler die Modelle zwar genehmigte, aber nicht unbedingt den Auftrag dazu erteilte.

Näher an der Wahrheit liegt wohl eine andere Annahme: Bis 1961 produzierte Revell in 1:25 ausschließlich Multi-Piece- Bausätze wie den Mercedes 190 SL, die Corvette von 1960, den Austin Healey, den Porsche Speedster und viele andere mehr. Bei AMT waren die einteiligen Karosserien dagegen bereits seit 1958 Standard, ebenso – wenn auch etwas später am Markt – bei Johan. Revell geriet dadurch in erheblichen Zugzwang, denn die Modelle mit einteiliger Karosserie ließen sich leichter bauen und versprachen schnelleren Erfolg.

1962 war es dann endlich soweit: Der unübersehbare „Unibody Construction“ –Hinweis auf allen Schachteln der Chrysler-Serie mit dem dazu gehörigen Bild einer einteiligen Karosserie (irreführenderweise allerdings ohne Türen!) bewies, dass Revell in der Neuzeit angekommen war. Dass es sich bei diesen hoch modernen Kits wiederum um die gesamte Chrysler-Modellpalette handelte, lag wohl an der bereits im Vorjahr praktizierten, sehr guten Zusammenarbeit (siehe oben!).

Alle sechs Revell-Bausätze besitzen exakt das gleiche Konstruktionsprinzip, in bestimmten Punkten - sicher nicht ganz zufällig – mit dem Johan-Konzept vergleichbar. So gibt es hier wie da eine funktionsfähige „Torsion Aire Suspension“ an den Vorderachsen und auch die Strukturen der Bodenplatten sowie der Innenausstattungen ähneln sich sehr. Übereinstimmungen finden sich
aber auch bei den unvermeidlichen „Customizing Parts“ jener Tage: Baby Moons, Louvres, Heckflossen und Sidepipes liegen sowohl den Revell- als auch den Johan-Kits bei.


Einige sehr wichtige Abweichungen zeigen sich dagegen bei den Karosserie-Typen: Während AMT und Johan generell zweitürige Hardtop Coupes und Cabriolets als Vorbild nahmen, bildete Revell beim Imperial Crown und beim Dodge Dart 440 jeweils den viertürigen Hardtop Sedan nach. Der 1962er Dodge Lancer GT gar wurde in 1:25 von keinem anderen Hersteller mehr realisiert und auch einen viertürigen Valiant V-200 sucht der Sammler in dieser Größe von anderen Produzenten vergeblich.

Eine wichtige Option, die als Alleinstellungsmerkmal der Revell- Bausätze dienen sollte, war die Möglichkeit einer Motorisierung. „You can motorize it!“ versprach ein Schachtelaufdruck und legte dem Modellbauer „Revells Power Kit for Motorizing 1/25 Scale Cars“ für 98 Cent an´s Herz (siehe Abb.). Ein weiterer Hinweis darauf findet sich am Ende der Bauanleitung, in der zwar ein leichter Einbau ohne Verzicht auf die Inneneinrichtung versprochen, aber nicht gezeigt wird, wie die Installation des Motors und des Antriebs vonstatten gehen sollte.


Und noch einen Coup landete Revell im Jahre 1962: Die „Metalflake“- Bausätze! Dabei handelte es sich um Kits, bei denen alle Plastikteile außer den Chrom-und Klarsichtteilen aus durchsichtigem, metallisiertem Kunststoff gefertigt wurden (siehe
Abb.). Die Idee dabei war, die Karosserie von innen mit der gewünschten Farbe zu lackieren (damals noch überwiegend mit dem Pinsel) und dafür außen eine glatte, hochglänzende Oberfläche im „Metalflake“ Effekt zu erhalten. In der Metalflake-Serie wurden zwar alle sechs Chrysler-Modelle von 1962 noch einmal aufgelegt, allerdings in einer Einheits-Verpackung, die kaum erkennen ließ, um welchen Typ es sich
handelte (siehe Abb.).

So stellt diese Revell-Chrysler-Serie einschließlich der Metalflake-Kits von 1962 im Maßstab 1:25 eine interessante Fußnote in der abwechslungsreichen Geschichte des Plastikmodellbaus dar. Während einige Johan Annual-Kits des Jahres 1962 (Chrysler 300 Coupe, Dodge Dart und Plymouth Fury als Coupe und Cabriolet) in überarbeiteter Form als „USA Oldies“ wieder aufgelegt wurden, blieben die Revell-Chrysler nach dem ersten Run für immer verschwunden und gehören heute zu den meist gesuchten und besonders wertvollen Sammlerstücken – eine mysteriöse Geschichte ohne Happy End (sprich: Wiederauflage), die Lust macht auf weitere Geheimnisse in der wechselhaften Bausatz-Historie!


Gebaute '62er Chrysler-Modelle von Revell: Imperial, Dodge Lancer, Plymouth Fury

 

 

Herzlichen Dank für die tatkräftige Unterstützung an:

 

Günther Eberhardt, München:              Metalflake- Kit des 1962er Chrysler Newport

Robert Eiber, Feucht bei Nürnberg:       Gebautes Modell des 1962er Imperial (blau)

Ulrich Baumann, Penzberg:                   Gebautes Modell des 1962er Dodge Lancer

Siegfried Hagen, Traismauer:                Gealtertes Modell des 1962er Plymouth Fury

 

Bilder und Text der ungebauten Modelle und Bausätze:

Gerhard Hoffmann, Bachmehring

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